Forscher haben ein Parfüm entwickelt, das bei der Partnersuche helfen soll. Es riecht nach dem eigenen Immunsystem. Sie haben auch eine Theorie, warum Menschen seit Jahrtausenden Duftwasser benutzen: Sie intensivieren ihren ganz individuellen Geruch.
Von Alice Ahlers
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Duftete Cleopatras Rücken nach Myrrhe? Ihr großer Zeh nach Zeder? Und ihr Ohr nach
Zimtrinde? So könnte es gewesen sein. Antike Geschichtsschreiber berichten, dass die ägyptische Königin für jedes Körperteil ein eigenes Parfüm hatte. Welche Düfte das genau waren, haben sie nicht überliefert. Es zeigt aber: Schon seit Jahrtausenden benutzen Menschen Parfüms. Warum eigentlich?
Forscher des Max-Planck-Instituts in Plön und Freiburg haben jetzt eine mögliche Antwort darauf gefunden - zumindest für Frauen. Ihre These: Sie verstärken damit ihren individuellen Geruch. Das helfe Frauen dabei, den biologisch idealen Partner zu finden.
Der natürliche Geruch jedes Menschen wird durch seine Gene bestimmt. Jeder hat also mit seiner Geburt bereits sein eigenes Natur-Parfüm mitbekommen. Die Formel dahinter klingt weniger blumig. Sie lautet: Human Leukocyte Antigenes (HLA). Damit sind die Immungene gemeint, die bei jedem Menschen in unterschiedlichen Varianten vorkommen. Ein genetischer Code also, den jeder Mensch mit seinem Geruch ausdünstet. Andere können ihn unbewusst riechen. Sie empfangen auf diese Weise Informationen darüber, wie das Immunsystem des Gegenübers beschaffen ist.
Wie Lebewesen darauf reagieren, haben Wissenschaftler zunächst an Tieren beobachtet. Fischweibchen mögen besonders die Männchen, die ganz anders riechen als sie selbst. Sie entscheiden sich also eher für einen Sexualpartner, dessen genetisches Profil sich von ihrem eigenen unterscheidet. Das ist nicht nur eine Inzestschranke, die verhindert, dass sich Brüder und Schwestern paaren. Die Natur wittert darin auch einen Überlebens-Vorteil. Denn sind die Immungene bei Mutter und Vater sehr unterschiedlich, sind deren Kinder auch besser vor Infektionen geschützt.
„Die Nachkommen sind dann resistent gegen ein breites Spektrum von Krankheitserregern", sagt Thomas Boehm, Direktor am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg. Weibchen suchten sich instinktiv Männchen, deren Immunsystem die eigene Abwehr ergänzt. Der Körpergeruch leitet den Weg zu ihnen.
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Dass auch Menschen die Immungene riechen können, haben bereits Experimente an der Universität Bern gezeigt. Dort sollten Frauen an verschwitzten T-Shirts von 140 Männern schnuppern. Sie reagierten darauf ganz unterschiedlich. Manche Shirts empfanden sie als wohlriechend, bei anderen wurde ihnen fast schlecht. Tatsächlich empfanden sie aber genau den Körpergeruch als angenehm, der sich deutlich von ihrem eigenen unterschied.
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In der neuen Studie fragten die Wissenschaftler nun nicht, welchen Geruch Frauen an einem Mann riechen wollten, sondern, welchen sie am liebsten an sich selbst tragen. Sie boten ihnen zwei verschiedene Düfte an. Diesmal bevorzugten die Frauen denjenigen, der ihrem eigenen Körpergeruch am ähnlichsten war. Sie gaben aber auch an, den bevorzugten Duft nicht an anderen Menschen riechen zu wollen. Daraus folgt: „Wir wissen auch unbewusst, wie die eigene Immunabwehr beschaffen ist“, sagt Manfred Milinski vom Max-Planck-Institut
für Evolutionsbiologie in Plön, der ebenfalls an der neuen Studie beteiligt war. Offenbar wählen Frauen ein Parfüm also danach aus, dass es ihren eigenen Geruch verstärkt.
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Dem Biologen und seinen Kollegen gelang es, die Körpergerüche künstlich herzustellen.
„Obwohl bei Menschen insgesamt viele Hundert verschiedene Formen der HLA-Immungene
vorkommen, besitzt jeder nur einige wenige Varianten“, sagt Milinski. Das mache es möglich, Parfüms herzustellen, die das eigene Geruchssignal verstärken. Das Parfüm zur Partnerwahl sei im Prinzip marktreif. Konkrete Pläne zu einer Serienproduktion gebe es aber noch nicht.
Selbst wenn man so ein Parfüm irgendwann kaufen könnte: Die Suche nach der großen Liebe wird für den Menschen dadurch nicht unbedingt einfacher. Denn wenn zwei Immunsysteme sich gut ergänzen, heißt das noch lange nicht, dass diese Menschen auch auf anderen Ebenen zueinanderpassen. „Es geht hier nur um den für die Nachkommen idealen Sexualpartner“, sagt Hanns Hatt, Zellphysiologe und Duftforscher an der Ruhr-Universität Bochum. Der HLA-Geruch verrate nicht, was dem Homo sapiens in der Liebe sonst noch so wichtig ist: gleiche Interessen, ähnlicher Humor, Intelligenz. „Darauf legt die Evolution keinen Wert“, sagt Hatt.
Es gibt noch einen anderen Stoff, der unter Verdacht steht, bei der Liebeskommunikation eine Rolle zu spielen. Oxytocin, das häufig als Kuschelhormon bezeichnet wird. In Versuchen zeigte sich, dass Körperkontakt oder Streicheln die Ausschüttung von Oxytocin anregen. Auch nach dem Orgasmus steigt sein Spiegel im Blut. Die Substanz bewirkt offenbar, dass Menschen soziale Kontakte als etwas Positives erleben, anderen vertrauen und Bindungen eingehen. Oxytocin wird aber auch als Medikament verabreicht, um vor der Geburt bei werdenden Müttern Wehen auszulösen oder den Milcheinschuss herbeizuführen.
Im Internet kann man Oxytocin in Form eines Körpersprays namens Liquid Trust („Flüssiges Vertrauen") kaufen. Über die Nase soll es Mitmenschen in Kuschelstimmung versetzen, indem es Nähe und Zutrauen herstellt. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das funktioniert“, sagt Beate Ditzen, Psychologin an der Universität Zürich, die selbst Paare unter dem Einfluss von Oxytocin studiert hat. Ihre Probanden bekamen den Stoff beiderseits direkt in die Nase verabreicht. „Als Körperspray kann es auf so große Distanz kaum in die Nase des anderen gelangen“, sagt die Psychologin.
Die Paare in ihrem Experiment verhielten sich unter Oxytocin-Einfluss tatsächlich anders als eine Vergleichsgruppe, die nur ein Placebo erhalten hatte. Alle sollten über ein Problem in ihrer Beziehung sprechen, dabei gingen die Oxytocin-Paare jedoch liebevoller miteinander um. Im Verhältnis zeigten sie länger positive Verhaltensweisen als negative, waren kooperativer und freundlicher zueinander. Bei jenen, die ein Placebo bekommen hatten, war es umgekehrt. „Aber man kann seinemPartner ja nicht ein Leben lang Drogen verabreichen“, sagt Ditzen.
„In wen man sich verliebt, lässt sich biochemisch nicht fassen oder manipulieren“, meint die Psychologin. Viele Faktoren spielten hier eine Rolle. Erfahrungen, Erinnerungen, Lernmecha-nismen und kulturelle Einflüsse.Wen man attraktiv findet, ist nicht zuletzt auch eine Frage der Gesellschaft, in der man lebt. Auch Kleopatra, die größte Herrscherin ihrer Zeit, und Caesar, der mächtige Imperator, haben sich sicher nicht des Geruchs wegen erwählt.
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